Nachschusspflicht

Was ist eine Nachschusspflicht?

Einer Nachschusspflicht liegt ein bestehendes Rechtsverhältnis durch Gesetz, Satzung oder Vertrag zugrunde. Es verpflichtet Gesellschafter, Anleger oder Genossenschafts- bzw. Vereinsmitglieder zu einer nachträglichen finanziellen Zahlung auf ihre bereits erbrachten Einlagen oder Gesellschaftsanteile. Relevant sind Nachschusspflichten vor allem für Kapitalanleger und Gesellschafter von Kapitalgesellschaften, wie eingetragenen Genossenschaften, GmbHs und Unternehmergesellschaften (UG), wobei gesetzliche Regelungen wie das GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) diese Pflichten definieren. Bei der Genossenschaft haften Mitglieder per Gesetz solidarisch für die im Namen der Genossenschaft eingegangenen Kreditverpflichtungen. Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um die Verbindlichkeiten zu decken, müssen die Mitglieder Geld nachschießen, um Insolvenzgläubiger zu bedienen. Bei der Kapitalanlage sind Nachschüsse mit Wertpapiergeschäften auf Kreditbasis oder mittels Derivaten verbunden.

Wann finden Nachschusspflichten Anwendung?

Nachschusspflichten treten auf, wenn die finanziellen Mittel einer Gesellschaft, Genossenschaft oder eines Versicherungsvereins zur Deckung von Verlusten oder zur Kapitalerhöhung nicht ausreichen. Sie sind in bestimmten Fällen auf die Höhe des Geschäftsanteils begrenzt oder durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen.

Die Nachschusspflicht betrifft Situationen, in denen Mitglieder, Gesellschafter oder Versicherte zusätzliches Kapital bereitstellen müssen, wenn die finanziellen Mittel einer Gemeinschaft oder Gesellschaft nicht ausreichen. Diese Verpflichtung kann neben den genannten Genossenschaften, Gesellschaften und bestimmten Versicherungsvereinen auch bei Differenzkontrakten (CFDs) und Wertpapierkrediten zum Einsatz kommen. Die genaue Höhe und Bedingungen der Nachschusspflicht sind dabei oft durch Satzungen, Gesellschaftsverträge oder gesetzliche Regelungen wie das GmbHG festgelegt.

Gesellschaften

Der Gesellschaftsvertrag, der bei der Gründung der GmbH erstellt wird, kann festlegen, dass und in welchem Umfang Nachschüsse von den Gesellschaftern eingebracht werden müssen. Die Gesellschafter sind verpflichtet, über ihre Einlage hinaus weitere Mittel einzuzahlen, wenn das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät oder das Geschäftsfeld erweitert werden soll. Stimmen alle Gesellschafter zu, kann die Nachschusspflicht auch nachträglich in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Für eine sanierungsbedürftige GmbH zahlt sich die vorab vertraglich festgehaltene Geldnachschusspflicht für eine schnellstmögliche Kapitalisierung im Krisenfall aus, um die Ansprüche der Insolvenzgläubiger zu sichern. Die Einzahlung des zusätzlichen Kapitals hat sich an den jeweiligen Verhältnissen der Geschäftsanteile zu orientieren. Bleibt die Pflicht zu Nachschüssen auf einen bestimmten Betrag begrenzt, spricht man von beschränkten Nachschusspflichten. Unbeschränkt ist die Pflicht dann, wenn sie ohne Einschränkungen der Höhe als dauerhafte Verpflichtung festgelegt wird. Bei dieser Art der Forderung eines finanziellen Nachschusses ist es möglich, sich der Pflicht zu entziehen. Der Gesellschafter kann der GmbH seine Geschäftsanteile zur Verfügung stellen, damit diese durch die Gesellschaft öffentlich versteigert werden. Das muss innerhalb eines Monats nach Aufforderung zum Nachschuss geschehen. Aus dem Erlös wird der Nachschussbetrag aufgebracht. Voraussetzung ist, dass der Gesellschafter seine Stammeinlage vollständig eingezahlt hat. Bleibt die Versteigerung erfolglos, erhält die Gesellschaft die Anteile des nicht zahlungsfähigen oder zahlungswilligen Gesellschafters. Nachschusspflichten treffen auch stille Gesellschafter bei ihrem Ausscheiden durch Kündigung, Ausschluss aus der Gesellschaft und bei deren Auflösung.

Genossenschaften

In Genossenschaften, wie etwa Wohnungsbaugenossenschaften, kann eine Nachschusspflicht für Mitglieder entstehen, wenn die finanziellen Mittel der Genossenschaft nicht ausreichen, um ihre Verpflichtungen zu decken, etwa im Fall einer Insolvenz. Diese Verpflichtung ist meist durch die Satzung geregelt, die festlegt, ob und in welcher Höhe Mitglieder zur Leistung von Nachschüssen verpflichtet sind. In vielen Fällen ist die Nachschusspflicht auf den Geschäftsanteil beschränkt, um das finanzielle Risiko für Mitglieder zu begrenzen. Durch diese Regelungen soll die Haftung der Mitglieder gegenüber möglichen Insolvenzgläubigern in einem klar definierten Rahmen gehalten werden.

Versicherungen

Bei bestimmten Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und öffentlich-rechtlichen Versicherungen kann eine Nachschusspflicht auftreten, wenn die jährlichen Prämieneinnahmen zur Deckung von Schadensfällen und Verwaltungskosten nicht ausreichen. Versicherte können in solchen Fällen gesetzlich zur Leistung zusätzlicher Zahlungen verpflichtet sein, wenn die Voraussetzungen durch die Satzung oder Gesetzgebung, etwa über die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht), festgelegt sind. Diese Nachschusspflichten dienen dazu, das notwendige Kapital für den Schadensausgleich zu sichern, ohne dass die Versicherungsträger in eine existenzielle Krise geraten. In solchen Fällen werden auch die Ansprüche der Versicherten durch diese Kapitalstärkung geschützt.

Differenzkontrakte (CFDs) und Futures

Beim Handel mit Differenzkontrakten (CFDs) und Futures kann eine Nachschusspflicht entstehen, wenn die hinterlegte Sicherheitsleistung nicht mehr ausreicht, um Verluste abzudecken. Da es sich bei diesen Anlageformen um Finanzprodukte mit Hebelwirkung handelt, besteht bei starkem Kursverlust die Verpflichtung zur Leistung zusätzlicher Zahlungen, um die entstandenen Verluste auszugleichen. Die Höhe der Nachschusspflicht ist in der Regel an die Marktbedingungen gebunden und kann in kurzer Zeit stark ansteigen, was das Risiko für Anleger erhöht und sie zu zusätzlichen Zahlungen verpflichten kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Wertpapierkredite

Im Wertpapiergeschäft spielen Nachschüsse eine große Rolle. Hat ein Depotinhaber zur Finanzierung seiner Börsengeschäfte einen Wertpapier- oder Effektenkredit aufgenommen, dient das Depot des Anlegers der Bank als Sicherheit für die Rückzahlung des Kredits. Die Bank akzeptiert aufgrund von Kursschwankungen nur einen bestimmten Prozentsatz des Depotbestands als Kreditsicherheit, damit der Verkaufserlös bei zwangsweiser Veräußerung der Papiere zur Kredittilgung ausreicht. Fällt der Depotbestand aufgrund von Kursverlusten während der Kreditlaufzeit unter die Beleihungsgrenze, ist der Anleger verpflichtet, Geld nachzuschießen.

Das gleiche trifft zu, wenn Anleger Börsentermingeschäfte tätigen oder mit Finanzprodukten handeln, die eine Hebelwirkung aufweisen. Bei Hebelprodukten setzen Anleger nur einen Bruchteil der Summe, die mit der Veränderung des Basiswerts bewegt wird, an eigenem Kapital ein. Dementsprechend hoch sind die Gewinnaussichten für Trader und Anleger. Geht die Rechnung jedoch nicht auf, wirkt der Hebel auch in die andere Richtung. Die Verluste potenzieren sich mit dem Hebel und der Broker fordert den Kunden auf, zusätzliches Geld bereitzustellen, sofern die Verluste höher als die Sicherheitszahlung (Margin) sind. Kommt der Anleger dieser Pflicht nicht nach, wird die Position aufgelöst, so dass mindestens ein Totalverlust für den Investor entsteht. Bestehen Nachschusspflichten, kann der Anleger mehr Geld verlieren, als er eingesetzt hat. Je höher der Hebel ist, desto größer ist das Risiko, unbegrenzt Kapital einzubüßen.

Anleger müssen darauf achten, in welcher Höhe sie für entstandene Kursverluste haften. Sie sollten sich die Produktinformationen, Handelsbedingungen und die AGB der Bank genau durchlesen, damit sie nicht finanziell überfordert sind und Insolvenz anmelden müssen. Anbieter von Finanzprodukten müssen Nachschusspflichten schriftlich als Risiko aufführen.

Wann ist eine Nachschusspflicht ausgeschlossen?

Aktionäre müssen kein Eigenkapital in die AG nachschießen, sie haften nur mit ihrem Einsatz für ihre Aktienbeteiligung. Ebenso bestehen keine Nachschusspflichten für Gesellschafter einer OHG und KG sowie KGaA.

Gesetzlich sind die Gesellschafter von Personengesellschaften nicht verpflichtet, höhere Beiträge einzubringen. Bei geschlossenen Investmentvermögen, die nach dem Inkrafttreten des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) ab 22.07.2013 aufgelegt wurden, ist die Pflicht zu Nachschüssen gesetzlich ausgeschlossen worden. Kapitalanleger müssen bei älteren geschlossenen Fonds noch mit Nachschussforderungen laut Gesellschaftsvertrag rechnen.

Keine Nachschusspflichten sind auch bei Vermögensanlagen in Deutschland vorgesehen, zu denen beispielsweise Nachrangdarlehen beim Crowdinvesting für Immobilien gehören. Vermögensanlagen, die Nachschüsse erfordern könnten, sind laut Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) zum öffentlichen Angebot oder Vertrieb im Inland nicht mehr zugelassen. Der Anleger stellt beim Crowdinvesting für Immobilien dem Emittenten durch das Nachrangdarlehen Fremdkapital mit eigenkapitalähnlicher Haftung zur Verfügung. Damit verbunden sind keinerlei Mitwirkungs-, Weisungs- und Stimmrechte im Projektunternehmen sowie begrenzte Informations- und Kontrollansprüche. Zwar ist beim Immobilien Crowdinvesting ein Totalverlust des Kapitaleinsatzes möglich, aber es hat den Vorteil, dass sich daraus keine weiteren Pflichten für den Anleger ergeben. Crowd-Investoren müssen nicht wie beim Derivatehandel befürchten, mehr als ihr gesamtes Vermögen zu verlieren, sofern sie eigenes Kapital zur Anlage einsetzen.

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