Als Nachschüsse bezeichnet man zusätzliche Geldleistungen von Gesellschaftern und Investoren, die bei Vertragsabschluss und in Satzungen vereinbart wurden oder per Gesetz definiert sind. Diese können betragsmäßig beschränkt oder in unbegrenzter Höhe zu leisten sein. Die Nachschüsse dienen der Erhöhung des Gesellschaftskapitals oder dem Ausgleich von Verlusten. Ursache von Nachschusspflichten können sowohl Investitionen als auch Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung und Liquiditätsprobleme sein, die natürliche oder juristische Personen betreffen. Mithilfe von Nachschüssen kann einer finanziellen Schieflage vorgebeugt oder diese beseitigt werden.
Einer Nachschusspflicht liegt ein bestehendes Rechtsverhältnis durch Gesetz, Satzung oder Vertrag zugrunde. Es verpflichtet Gesellschafter, Anleger oder Genossenschafts- bzw. Vereinsmitglieder zu einer finanziellen Nachzahlung auf ihre bereits erbrachten Einlagen oder Anteile. Relevant sind Nachschusspflichten vor allem für Kapitalanleger und Gesellschafter von Kapitalgesellschaften, wie eingetragenen Genossenschaften, GmbHs und Unternehmergesellschaften (UG). Bei der Genossenschaft haften Mitglieder per Gesetz solidarisch für die im Namen der Genossenschaft eingegangenen Kreditverpflichtungen. Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um die Verbindlichkeiten zu decken, müssen die Mitglieder Geld nachschießen. Bei der Kapitalanlage sind Nachschüsse mit Wertpapiergeschäften auf Kreditbasis oder mittels Derivaten verbunden.
Die Pflicht zu Nachschüssen bei einer Genossenschaft, zum Beispiel einer Wohnungsbaugenossenschaft, kommt im Insolvenzfall der Gemeinschaft zum Tragen. Sie besteht nur gegenüber der Genossenschaft und kann auf die Höhe des Geschäftsanteils beschränkt bzw. in der Satzung ausgeschlossen werden. Nachschüsse werden von Versicherungsnehmern verlangt, wenn die jährlichen Prämieneinnahmen zur Deckung der Schadensfälle und der Verwaltungskosten nicht ausreichen. Das kann Versicherte von öffentlich-rechtlichen Versicherungen und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit betreffen. Zusätzliches Kapital ist von Anlegern nach Aufforderung des Kreditinstituts bereitzustellen, wenn ihr Wertpapierkredit nicht mehr ausreichend durch das verpfändete Wertpapierdepot abgesichert ist. Andernfalls kann es sein, dass beim Futures-, CFD-, Devisen- und Optionshandel die Sicherheitsleistung erhöht werden muss. Die Gesellschafter einer GmbH müssen über ihre Stammeinlage hinaus Geld in die Gesellschaft einbringen, falls hohe Verluste anfallen, eine Kapitalerhöhung ansteht oder die Auflösung des Unternehmens durch eine Sanierung abgewendet werden kann.
Der Gesellschaftsvertrag, der bei der Gründung der GmbH erstellt wird, kann festlegen, dass und in welchem Umfang Nachschüsse von den Gesellschaftern eingebracht werden müssen. Die Gesellschafter sind verpflichtet, über ihre Einlage hinaus weitere Mittel einzuzahlen, wenn das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät oder das Geschäftsfeld erweitert werden soll. Stimmen alle Gesellschafter zu, kann die Nachschusspflicht auch nachträglich in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Für eine sanierungsbedürftige GmbH zahlt sich die vorab vertraglich festgehaltene Geldnachschusspflicht für eine schnellstmögliche Kapitalisierung im Krisenfall aus. Die Einzahlung des zusätzlichen Kapitals hat sich an den jeweiligen Verhältnissen der Geschäftsanteile zu orientieren. Bleibt die Pflicht zu Nachschüssen auf einen bestimmten Betrag begrenzt, spricht man von beschränkten Nachschusspflichten. Unbeschränkt ist die Pflicht dann, wenn sie ohne Einschränkungen der Höhe als dauerhafte Verpflichtung festgelegt wird. Bei dieser Art der Forderung eines finanziellen Nachschusses ist es möglich, sich der Pflicht zu entziehen. Der Gesellschafter kann der GmbH seine Geschäftsanteile zur Verfügung stellen, damit diese durch die Gesellschaft öffentlich versteigert werden. Das muss innerhalb eines Monats nach Aufforderung zum Nachschuss geschehen. Aus dem Erlös wird der Nachschussbetrag aufgebracht. Voraussetzung ist, dass der Gesellschafter seine Stammeinlage vollständig eingezahlt hat. Bleibt die Versteigerung erfolglos, erhält die Gesellschaft die Anteile des nicht zahlungsfähigen oder zahlungswilligen Gesellschafters. Nachschusspflichten treffen auch stille Gesellschafter bei ihrem Ausscheiden durch Kündigung, Ausschluss aus der Gesellschaft und bei deren Auflösung.
Im Wertpapiergeschäft spielen Nachschüsse eine große Rolle. Hat ein Depotinhaber zur Finanzierung seiner Börsengeschäfte einen Wertpapier- oder Effektenkredit aufgenommen, dient das Depot des Anlegers der Bank als Sicherheit für die Rückzahlung des Kredits. Die Bank akzeptiert aufgrund von Kursschwankungen nur einen bestimmten Prozentsatz des Depotbestands als Kreditsicherheit, damit der Verkaufserlös bei zwangsweiser Veräußerung der Papiere zur Kredittilgung ausreicht. Fällt der Depotbestand aufgrund von Kursverlusten während der Kreditlaufzeit unter die Beleihungsgrenze, ist der Anleger verpflichtet, Geld nachzuschießen.
Das gleiche trifft zu, wenn Anleger Börsentermingeschäfte tätigen oder mit Finanzprodukten handeln, die eine Hebelwirkung aufweisen. Bei Hebelprodukten setzen Anleger nur einen Bruchteil der Summe, die mit der Veränderung des Basiswerts bewegt wird, an eigenem Kapital ein. Dementsprechend hoch sind die Gewinnaussichten für Trader und Anleger. Geht die Rechnung jedoch nicht auf, wirkt der Hebel auch in die andere Richtung. Die Verluste potenzieren sich mit dem Hebel und der Broker fordert den Kunden auf, zusätzliches Geld bereitzustellen, sofern die Verluste höher als die Sicherheitszahlung (Margin) sind. Kommt der Anleger dieser Pflicht nicht nach, wird die Position aufgelöst, so dass mindestens ein Totalverlust für den Investor entsteht. Bestehen Nachschusspflichten, kann der Anleger mehr Geld verlieren, als er eingesetzt hat. Je höher der Hebel ist, desto größer ist das Risiko, unbegrenzt Kapital einzubüßen.
Anleger müssen darauf achten, in welcher Höhe sie für entstandene Kursverluste haften. Sie sollten sich die Produktinformationen, Handelsbedingungen und die AGB der Bank genau durchlesen, damit sie nicht finanziell überfordert sind und Insolvenz anmelden müssen. Anbieter von Finanzprodukten müssen Nachschusspflichten schriftlich als Risiko aufführen.
Aktionäre müssen kein Eigenkapital in die AG nachschießen, sie haften nur mit ihrem Einsatz für ihre Aktienbeteiligung. Ebenso bestehen keine Nachschusspflichten für Gesellschafter einer OHG und KG sowie KGaA. Gesetzlich sind die Gesellschafter von Personengesellschaften nicht verpflichtet, höhere Beiträge einzubringen. Bei geschlossenen Investmentvermögen, die nach dem Inkrafttreten des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) ab 22.07.2013 aufgelegt wurden, ist die Pflicht zu Nachschüssen gesetzlich ausgeschlossen worden. Kapitalanleger müssen bei älteren geschlossenen Fonds noch mit Nachschussforderungen laut Gesellschaftsvertrag rechnen.
Keine Nachschusspflichten sind auch bei Vermögensanlagen in Deutschland vorgesehen, zu denen beispielsweise Nachrangdarlehen beim Crowdinvesting für Immobilien gehören. Vermögensanlagen, die Nachschüsse erfordern könnten, sind laut Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) zum öffentlichen Angebot oder Vertrieb im Inland nicht mehr zugelassen. Der Anleger stellt beim Crowdinvesting für Immobilien dem Emittenten durch das Nachrangdarlehen Fremdkapital mit eigenkapitalähnlicher Haftung zur Verfügung. Damit verbunden sind keinerlei Mitwirkungs-, Weisungs- und Stimmrechte im Projektunternehmen sowie begrenzte Informations- und Kontrollansprüche. Zwar ist beim Immobilien Crowdinvesting ein Totalverlust des Kapitaleinsatzes möglich, aber es hat den Vorteil, dass sich daraus keine weiteren Pflichten für den Anleger ergeben. Crowd-Investoren müssen nicht wie beim Derivatehandel befürchten, mehr als ihr gesamtes Vermögen zu verlieren, sofern sie eigenes Kapital zur Anlage einsetzen.
Zusammenfassung: