Frau Schröder, Frau Sanft, Sie kümmern sich beim Hamburger FinTech Exporo um HR und Recruiting. Exporo ermöglicht digitale Immobilieninvestments. Die Zahl Ihrer Mitarbeiter wächst rasant. Es gibt keinen Monat, in dem keine neuen Kollegen anfangen: seit Jahresbeginn 2019 bereits 25. Wie finden Sie die raren Tech-Spezialisten, was können Sie Ihnen bieten und wie wichtig ist für die Kandidaten das Thema New Work?
Manon Schröder: Richtig, wir suchen in fast allen Bereichen neue Mitarbeiter. Für die Teams Marketing oder Vertrieb funktionieren klassische Stellenanzeigen noch recht gut. Die umworbenen IT-Kandidaten, wie etwa Backend Developer, sprechen wir hingegen besser direkt und individuell an. Wir nutzen hierfür den Xing Talent-Manager oder LinkedIn, um proaktiv auf Kandidaten zuzugehen und diese von einer Zukunft bei Exporo zu überzeugen. Auch unsere Mitarbeiter sind ein wertvoller Rekrutierungskanal für uns. Rund 40 Prozent der in 2018 durch Kollegen empfohlenen Kandidaten wurden auch eingestellt - das ist ziemlich gut.
Wir sind unüblich digital, jung und schnell – besonders in der teilweise eher konservativen Immobilienbranche - und bieten eine liberale, effiziente Arbeitskultur an, die den individuellen Lebensmodellen entspricht, sowie einen schönen Arbeitsplatz in der Hafencity mit Blick auf die Elbphilharmonie. Bei unseren Gesprächen ist das Thema selbstbestimmte Arbeitskultur (New Work) für die Kandidaten sehr wichtig, häufig noch entscheidender als die Höhe des Gehaltes. Die meisten jungen Menschen suchen einen Sinn in dem was sie tun und wollen ihr Leben mit der Arbeit in Einklang bringen.
Welche New-Work-Elemente haben Sie bei Exporo schon umgesetzt?
Manon Schröder: Exporo verfolgt das Modell der Vertrauensarbeitszeit. Die geleisteten Stunden werden nicht erfasst und kontrolliert, niemand muss sich rechtfertigen, wenn er oder sie gerade nicht im Büro ist, sondern schnell mal die Kinder von der Kita holt. Entscheidend ist die persönliche Leistung, die Effizienz als Team. Auch den Ort der Arbeit schreiben wir nicht zwingend vor. Wir haben Kollegen, die arbeiten zwei, drei Tage in der Woche aus ihrem Home Office, weil es so besser in ihr Lebensmodell passt. Manche wählen feste Tage für die Arbeit von Zuhause, andere wiederum rotierende. Es gibt bei uns Kollegen, die wohnen in Berlin, arbeiten von dort aus einem CoWorking-Space und kommen ein, zweimal die Woche nach Hamburg. Wichtig ist, dass die Arbeitsergebnisse stimmen, die Teams und Kundentermine unter der Flexibilität nicht leiden.
Léa Sanft: Unsere Teams organisieren ihre täglichen Abläufe selbst. Dafür ist gute Technik wichtig. Wir kommunizieren untereinander mit Slack oder Videotelefonie. Die Kollegen schalten sich dann zu dem jeweiligen Daily oder Weekly Meeting von überall zu. Einige Teams machen ihre Team-Stand-ups morgens, andere um 14 Uhr oder 17 Uhr. Einige Kollegen wollen lieber morgens zwei Stunden länger schlafen und dafür am Abend länger arbeiten.
Neben unseren selbstbestimmten Arbeitsmodellen bieten wir auch klassische Benefits, wie etwa einen Zuschuss zum Monatsticket für öffentliche Verkehrsmittel, eine betriebliche Altersvorsorge und künftig auch die Möglichkeit, in unserem crowdfinanzierten Bestandsprojekt "Appartements am Markt" eine Wohnung zu mieten, falls dort gerade eine frei ist. Auch Hunde dürfen ins Büro kommen, solange sie andere Kollegen nicht stören. Unser CEO Simon Brunke hat meist sogar zwei Hunde dabei. Kicker Tisch, frisches Obst, Fritz Cola und Du-Kultur sind selbstverständlich.
Wie schaffen Sie, die vielen neuen Kollegen möglichst schnell zu integrieren?
Léa Sanft: Nach einer mehrstündigen Willkommens-Veranstaltung erhält jeder neue Mitarbeiter bei uns einen festen Partner für das fachliche Onboarding. Er kümmert sich um die Integration und die speziellen Schnittstellen zu anderen Kollegen. Wir sprechen mit den Zugängen auch über unsere Werte, die spezielle Arbeitskultur sowie über Vision und Strategie - also wo wir langfristig mit Exporo stehen wollen. Ferner bieten wir ein sogenanntes "random lunch Konzept" an, die neuen Mitarbeiter gehen also mit zugelosten Kollegen mittags essen. Außerdem bieten zahlreiche Teamevents, wie z.B. Grillabende auf der Dachterrasse, Kanutouren oder einen Ausflug zur Kartbahn, optimale Gelegenheiten, schnell wertvolle Kontakte zu knüpfen. Im zweiwöchigen Teammeeting stellen sich die neuen Kollegen vor. Während dieser Meetings, beantworten die Vorstände übrigens unter anderem Fragen, die im Voraus (anonym) über unser "Employee Engagement" Tool gestellt wurden. Unsere drei Vorstände beantworten jede Frage, natürlich auch kritische.
Es heißt, die jungen Spezialisten wollten gerne für ein Unternehmen arbeiten, das gesellschaftlich sinnvolle Produkte oder Dienste bietet. Wie wichtig ist der sogenannte Purpose für die Generation Y?
Manon Schröder: Der Purpose und der Sinn der Arbeit werden für das Recruiting immer relevanter. Es reicht eben nicht mehr, ein gutes Gehalt und einen mit Club Mate gefüllten Kühlschrank zu bieten. Inhalte sind wichtig. Die Gen Y sucht in ihrer Arbeit Sinnhaftigkeit und Purpose, möchte Teil von etwas gesellschaftlich Nützlichem und Erfolgreichen sein. Wir merken das an den Gesprächen mit unseren Kandidaten, die dieses Thema häufig ansprechen und uns mit anderen Unternehmen vergleichen. Wir haben einen Purpose erarbeitet. Er lautet: "We enable better Real estate investments for everyone" und ist direkt im Empfangsbereich an die Wand gezeichnet – wir lassen täglich in Arbeit und Denken einfließen.
Das Interview führte Andreas Nölting