Am Smart Home scheiden sich die Geister: Glaubt man der im April 2015 von PwC veröffentlichten Studie "Baubranche aktuell – Prognosen und Erwartungen an Smart Home", gelten intelligente Wohngebäude als "Hoffnungsträger". Es gibt jedoch auch Skeptiker, wie der Branchenverband BITKOM in seiner Untersuchung im vergangenen Jahr festgestellt hat, für die der Erfolg nicht garantiert ist. Zu kompliziert, zu riskant, zu teuer, lauten die Vorbehalte. Hinzu kommt eine diffuse Angst, die Technik könnte sich verselbstständigen. Passend dazu ist der satirische WDR-Hörfunkbeitrag "Home Smart Home", in dem ein Bewohner von seinem "schlauen Haus" herumgescheucht wird. Clever wohnen? Geht anders. Aber wie?
Geräte brauchen eine internationale Verkehrssprache
Zunächst eine kurze Begriffsklärung: Beim vernetzten Wohnen geht es um ein ganzheitliches Konzept, das von der Energieversorgung über die Haustechnik bis zur Elektromobilität alle Komponenten integriert und diese automatisiert steuerbar macht. Die Voraussetzung dafür ist eine Infrastruktur, die alle Geräte und Anlagen miteinander verbindet. Das Gerangel um die vordersten Plätze auf dem Smart Home-Markt ist unter den Global Playern der Tech-Industrie und Unterhaltungselektronik längst entbrannt.
Apple probiert es mit der Softwarelösung HomeKit, Google angelte sich im vergangenen Jahr die US-Firma Nest, die intelligente Thermostate und Rauchmelder herstellt und dann gibt es noch diverse Zusammenschlüsse, wie die AllSeen-Alliance (u.a. Microsoft, Panasonic, Philips) und das Open Interconnect Consortium (u.a. Cisco, Intel, Siemens). Alle laborieren am gleichen Problem: Solange die Geräte nicht "eine Sprache sprechen", bleibt das Zuhause "stupid" und funktioniert nicht smart. Dass die Weltsprache zukünftig IP sein wird, davon geht nicht zuletzt Lars Hinrichs, Gründer von XING (früher openBC) aus, der in Hamburg zur Zeit das Apartimentum realisiert.
Vernetzte Wohngebäude am Immobilienmarkt angekommen
Was als Nischenprodukt für betuchte Häuslebauer angefangen hat, ist mittlerweile am Immobilienmarkt angekommen. Zur Zeit sorgt das "Aktiv-Stadthaus" in der Frankfurter City für Furore. Hier baut ein kommunales Wohnungsunternehmen 74 Mietwohnungen mit einem ausgeklügelten Energiekonzept als "solare Selbstversorger", wobei jeder Bewohner die Möglichkeit hat, über ein Display seinen Energieverbrauch mit der aktuellen Stromerzeugung zu vergleichen. Enthalten in der monatlichen Miete von 11,50 Euro pro Quadratmeter sind Kosten für Heizung und Warmwasserzubereitung sowie eine Flatrate für den Stromverbrauch von 150 kWh. Damit ein niedriger Energieverbrauch gewährleistet ist, wird jede Wohnung mit einer Einbauküche mit Triple A-Geräten ausgestattet. Und mit dem überschüssig erzeugten Strom werden elektrische Flitzer an der Ladesäule im Erdgeschoss betankt und im Car-Sharing-Modell den Bewohnern angeboten. Bedenkt man, dass der jährliche Stromverbrauch eines 1-Personen-Haushalt im Durchschnitt etwa 1.500 kWh beträgt, kann aus der Kaltmiete zukünftig die Warmmiete werden.
Die Herausforderung bestand für die Planer darin, aus den unterschiedlichen Komponenten der Fassaden-, Haus- und Energietechnik ein ganzheitliches System zu erstellen, das Energie sowohl erzeugt, als auch speichert und darüber hinaus einfach zu bedienen ist. Fünf Jahre hat die Planung in Anspruch genommen. Doch die Arbeit hat sich gelohnt, denn andere Wohnungsgesellschaften ziehen bereits nach. So realisiert die Nassauische Heimstätte ebenfalls ein energieproduzierendes Mehrfamilien-Aktivhaus im Raum Frankfurt.
Systemoffen planen und unabhängig bleiben
Wer überlegt, sein Haus oder seine Wohnung ebenfalls vernetzt auszustatten, sollte auf ein offenes System achten, um unabhängig von Marktentwicklungen und technischen Standards zu bleiben. Welche Lösung sich für wen und für welches Vorhaben eignet und wieviel sie kostet, dazu beraten auf Systemintegration spezialisierte Fachbetriebe, die meist auch einen Show Room unterhalten, wo verschiedene Lösungen ausprobiert werden können: Übersicht mit Smart Home Lösungen in Deutschland. Einige von ihnen übernehmen außer der Planung und der Integration der gewünschten Features (Heizung, Rollläden, Lichtszenen, Zutrittskontrolle, Sicherheit, Multimedia, etc.) auch die nicht zu unterschätzende Koordinationsarbeit (!) zwischen den beteiligten Gewerken vor und während der Ausführungsarbeiten bis zur Abnahme.
Vernetztes Wohnen ist also keineswegs etwas für technikverliebte Nerds, sondern die Voraussetzung für einen ressourcenschonenden und kostensparenden Wohnstil - und der wird im Rahmen der EU-Richtlinie zur Gesamteffizienz von Gebäuden ab dem 30. Dezember 2020 für Neubauten so oder so Standard.
Text: Dagmar Hotze, freie Journalistin