Aller Herausforderungen zum Trotz
Nach einer Auswertung des Beratungsunternehmens Bulwien Gesa schrumpfte das Projektvolumen in den sieben deutschen A-Städten im Vergleich zu 2022 um rund 6 Prozent, Planungen gingen um etwa 8 Prozent zurück. Laut Wolfgang Dzial, Geschäftsführer der HD Gruppe, hat sich die Projektentwicklung in den letzten 18 Monaten grundlegend verändert: „Die Zinsentwicklung, die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg beeinflussen unsere Projekte stark, wie die Baubranche im Allgemeinen“. Das familiengeführte Unternehmen ist seit 2007 am Markt und die Gründer haben mehr als 30 Jahre Berufserfahrung im Projektgeschäft. „Wir stehen vor der Herausforderung, trotz Lieferengpässen, hohen Baukosten und steigenden Zinsen, erfolgreiche Projekte zu realisieren.“
Im Gespräch bleiben
Ständig wäre man mit Gewerken und Investoren im Gespräch. „Ein großer Vorteil ist, dass wir gute Geschäftsbeziehungen zu unseren Vertragspartnern haben“, sagt Dzial. Dabei sei offene Kommunikation das Wichtigste. Sven Ludwig, Geschäftsführer der Exklusiv Wohnbau Gruppe, geht ähnlich mit der Situation um. Auch er ist mit seinem Netzwerk aus Handwerkern, Finanzierungsplanern und Vermittlern laufend im Austausch. Seit 2003 entwickelt das Unternehmen Wohnimmobilien, vom Einfamilienhaus bis zum Geschosswohnungsbau. Seiner Überzeugung nach verlangt die aktuelle Lage noch mehr gute und stetige Kommunikation.
Digitalisierung als Chance nutzen
Neben der Bewältigung des Tagesgeschäftes treibt die Projektentwickler um, welche Faktoren das Projektgeschäft künftig beeinflussen. „Entscheidend wird sein, wie die Prozesse sich neu gestalten“, meint Dzial. „Da ist die Digitalisierung wichtig, die uns dabei unterstützt, den Herausforderungen entgegenzuwirken“. Eine Möglichkeit ist der Einsatz der digitalen Planungsmethode Building Information Modeling (BIM), die beteiligte Unternehmen und Personen miteinander vernetzt und für maximale Transparenz und Planungssicherheit sorgt. Eine Studie der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen zur Digitalisierung der Projektentwicklerbranche aus dem Jahr 2020 ergab, dass damals immerhin jeder fünfte Projektentwickler BIM nutzte. Inzwischen dürfte die Zahl weiter gestiegen sein. Zumal die Planung mit BIM zunehmend vorgeschrieben ist, etwa bei öffentlichen Infrastrukturprojekten und seit 2023 auch bei Bundes-Hochbauten.
Nachhaltigkeit entscheidet über Projekterfolg
Weitere Kriterien, die in Zukunft für den Projekterfolg mit entscheidend sein werden, sind Dzial zufolge Nachhaltigkeit, Dekarbonisierung, ESG (Environmental Social Governance) und die EU-Taxonomieverordnung. „Wichtig ist dabei, die gesetzlichen Bestimmungen und die entsprechende Zeitschiene zu kennen“. Kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden müssen bereits auf Basis der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Sachen ESG Bericht erstatten. Die Taxonomieverordnung - die noch nicht final veröffentlicht ist - sieht vor, dass Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der CSRD fallen, zugleich offenlegen, inwieweit ihre Wirtschaftsaktivitäten im Sinne der Taxonomie nachhaltig sind. „Bei der HD Gruppe sind Energieeffizienz, niedrige Lebenszykluskosten sowie umweltbewusste und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit integraler Bestandteil der Projektentwicklung“. Dass der Markt für Green Buildings boomt, zeigen Zahlen des Beratungsunternehmens BNP Paribas Real Estate: Wurden bis 2013 lediglich 550 Gebäude als „nachhaltig“ zertifiziert, waren es bis Ende 2022 rund 2.800 – ein Wachstum von circa 250 Gebäuden pro Jahr. Zudem ist das Transaktionsvolumen mit 11,2 Milliarden Euro beachtlich, das im vergangenen Jahr mit grünen Immobilien erzielt wurde.
Kleiner, günstiger, zentraler
Daneben ist die Trendbeobachtung mehr denn je für Projektentwickler relevant, um frühzeitig reagieren zu können. „Als Trend sehen wir weiterhin das Mikrowohnen, das uns schon in den letzten Jahren begleitet hat“, so Ludwig. Seines Erachtens hat die Wichtigkeit dieser Wohnform durch den demografischen Wandel in den letzten Jahren zugenommen und wird auch weiterhin ein Bautrend sein. Überdies geht es davon aus, dass die Wohnraumgröße an Stellenwert verlieren wird. „Das liegt meines Erachtens an den Bau- und an den Energiekosten.“ Ein weiterer Aspekt werde die Lage sein. Mit seiner Einschätzung ist der Projektentwickler nicht allein. Auch der Immobiliendienstleister Collier geht davon aus, dass Standorte abseits von Hotspots angesichts der Herausforderungen vermutlich an Attraktivität einbüßen werden.
Es gibt genug zu tun
Ein einfaches Geschäft war die Projektentwicklung nie. Jetzt kommt es darauf an, noch genauer als bisher etwaige Chancen zu erkennen und mögliche Risiken abzuwägen. Zudem sind bisher analoge Prozesse schnellstmöglich zu digitalisieren, um Effizienzen nutzen zu können. Zu tun bleibt für die Branche genug: In Anbetracht der bevorstehenden Renovierungswelle im Gebäudesektor und der Notwendigkeit, bestehende Immobiliennutzungen zu transformieren. Gleichzeitig müssen nach Einschätzung der Bundesregierung deutschlandweit jedes Jahr rund 400.000 Wohnungen geschaffen werden, um den Bedarf an Wohnraum zu decken.