Der Blick auf mehrere Wolkenkratzer symbolisiert die Verbindung zwischen der traditionellen Immobilienwelt und der neuen Ära der virtuellen Wertpapiere. Diese Perspektive verdeutlicht, wie Security Token die Immobilienbranche revolutionieren könnten und bietet einen Überblick über die neuen Transaktionsmöglichkeiten, die Prof. Dr. Thomas Beyerle im Interview erläutert.
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Dagmar Hotze

Virtuelle Wertpapiere und die Chancen für eine Revolution

Security Token als Basis für digitale Wertpapiere treffen bei Exporo auf die "traditionelle" Immobilienwelt. Ein Blick von außen auf eine neue Art der Immobilientransaktion mit dem Immobilienexperten Prof. Dr. Thomas Beyerle.

5 Fragen an Prof. Dr. Thomas Beyerle, Lehrgebiet Immobilienwirtschaft / Immobilienresearch im Studiengang BWL (Bau und Immobilien) an der Hochschule Biberach (HBC)

Virtuelle Wertpapiere: Auch für Immobilientransaktionen eine Revolution?

Frage: Jüngst haben sich Bundesfinanz- und Justizministerium auf einen Gesetzentwurf zur Einführung von elektronischen Wertpapieren geeinigt. Zentraler Aspekt ist der Wegfall der Pflicht zur Urkundenerstellung, womit Wertpapiere (bspw. Aktien, Anleihen, Fonds) vom Papierzwang befreit werden. Zugleich soll das Gesetz die Transparenz erhöhen sowie die Marktintegrität und den Anlegerschutz stärken. In der Finanzwelt hat die Intention für Aufhorchen gesorgt. In der Immobilienwirtschaft gab es bisher kaum Resonanz. Werden dort die Chancen und Risiken digitaler Transaktionsmöglichkeiten für den Immobilienhandel nicht gesehen oder warum ist die Branche so zögerlich?

Prof. Dr. Thomas Beyerle: Dieser Entwurf wurde in der Tat zur Kenntnis genommen, schließlich ist ein Hauptkritikpunkt immer die Fristenkongruenz, also das traditionelle Langfristinvestment einer Immobilie und die zunehmend schnellere Liquidierbarkeitsanforderung der Assets, also quasi ein Evergreen, wenn es um die Schnittstelle zwischen Immobilienmarkt und Kapitalmarkt geht. Bisher hat sich fast immer gezeigt, dass der Immobilienwirtschaft bei Strukturveränderungen eine gewisse abwartende Haltung innewohnt, wie beispielsweise bei Digitalisierungsprozessen. Das hat dann zur Folge, dass die gesetzten Standards des Kapitalmarkts heftig auf die Immobilienbranche übertragen werden – und damit oftmals Widerstand erzeugt. Fairnesshalber sei aber auch erwähnt, dass die Implementierung in anderen Wirtschaftsbereichen sich zu Beginn oftmals einfacher gestaltet.

Wissen um Blockchain-Technologien steckt in den Kinderschuhen

Frage: Manche Blockchain-Apologeten haben die Vision von der "Immobilie für Jedermann", bei der jeder in Betongold investieren kann, schon ab einem Euro bzw. Bitcoin oder einer anderen Krypto-Währung. Den Traum von der "Volksaktie" gab es Mitte/Ende der 1990iger Jahre schon einmal. Wie realistisch ist dieses Szenario jetzt hier und macht es im Immobilienbereich Sinn?

Dr. Thomas Beyerle: Ich denke, gerade dieses Beispiel zeigt auch, dass eine Frontrunneraktivität auch ihre Schattenseiten haben kann. Der Wert des Papiers oder der Coin entspringt letztlich dem darunter liegenden Asset, abgebildet durch z. B. die Mieterlöse oder Grundstückswert(steigerungen) und erst dann der Erwartungshaltung des Marktes zur Zukunft. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass in den Zielkunden bzw. in der DNA einer Immobilieninvestition sich sehr konservatives Anlageverhalten in einem gewissen Renditespektrum widerspiegelt, ist meines Erachtens leicht erklärbar, dass es hier kaum Aktivitäten gibt die, sagen wir es deutlich, dem "grauen Kapitalmarkt" zuzuordnen sind. Ich denke, dass in der aktuellen Situation bei Blockchain und Co., also Stadium Kinderschuhe, die Zeichen systemimmanent auf Überbewertung und fehlende Standards stehen, von der Volatilität ganz zu schweigen. Hinzu gesellt sich das Wissen bzw. das fehlende fundamentale Verständnis der Blockchain-Technologie.

Virtuell bedeutet nicht gleich automatisch transparent

Frage: Ein Argument, das zur Einführung von virtuellen Wertpapieren angeführt wird, ist eine verbesserte Transparenz. Hier müsste die Immobilienwirtschaft doch hellhörig werden. Schließlich wird seit Jahren gefordert und versucht, mehr Übersichtlichkeit in die Datenlage zu bekommen.

Prof. Dr. Thomas Beyerle: Damit rennen Sie gerade bei mir offene Türen ein. Es ist zwar einiges in Sachen Transparenz passiert, aber das kann nur der Anfang sein. Gleichwohl wird "vollständige" Transparenz immer als Mantra ausgerufen, wenn es zuvor einen negativen Tatbestand gab – siehe z. B. Wirecard. Man kann folglich nicht wirklich gegen diese Forderung sein, doch gerade der Spannungsbogen eines (falsch verstandenen) Datenschutzes bis hin zur "Überlastung der Gutachterausschüsse" ist leider ein dickes Brett, welches es zu Bohren gilt. Aber: der Blick auf die Kapitalmarktdaten und deren Einsatz per se, erhöht den Druck auf die Branche ungemein, sich hier auf gewisse Mindeststandards zu verständigen.

Digitalregister statt Grundbuch?

Frage: Mal ganz praktisch gefragt, wo würde ein digitales Immobilienregister eigentlich verortet sein? Bisher sind die Grundbuchämter die Hüter der Immobiliendatenschätze. Wird das auch in Zukunft noch so sein?

Prof. Dr. Thomas Beyerle: Die "Datenhoheit" liegt, wie Sie sagen, auf Seite der (Finanz)Behörden, welche über die Grundbücher bzw. Kaufpreissammlungen ein nahezu vollständiges Verzeichnis über die jeweiligen Immobilien halten bzw. vorhalten müssen. Diesem staatlichen Hoheitsprinzip etwas "vom Markt" entgegenzusetzen ist die letzte Schlacht, wenn man es so dramatisch ausdrücken möchte. Eine vollständige Offenlegung der im Grundbuch verzeichneten Daten ist aktuell in vielerlei Hinsicht nicht vertretbar, nicht zuletzt aufgrund des Datenschutzes, welchem eine zunehmende Bedeutung zukommt. Somit ist fraglich bis sogar unwahrscheinlich, dass sich diese Situation substanziell auf absehbare Zeit ändern wird. Aber was mich verhalten optimistisch stimmen lässt: es gibt ja gerade auch aus der Immobilienbranche heraus diesen Wunsch, dass hier Bewegung hineinkommt. Stichwort: Neubewertung der Immobilienbestände. Verortet wäre ein digitales Register sicher bei einer staatlichen Behörde bzw. beim Oberen Gutachterausschuss – dann kommt aber natürlich die Länderhoheit wieder ins Spiel.

Einige Funktionsträger werden weiterhin gebraucht

Frage: Wenn Immobilientransaktionen künftig entmaterialisiert (und auch demokratisiert?) werden, welche Auswirkungen hat das auf die Rolle bisher Beteiligter, wie etwa klassischen Finanzierern, Immobiliengutachter und -bewerter und Notare? Welche Funktion übernehmen sie dann?

Prof. Dr. Thomas Beyerle: Grundsätzlich sollten wir, wie gesagt, davon ausgehen, dass sich die Immobilienwirtschaft mittelfristig nicht durch Security Tokens entmaterialisieren wird – sondern andere Branchen ihr vorauseilen. Sollte sich dieser Trend bis in die Immobilienwirtschaft durchsetzen, würde er aber vermutlich nicht die gesamte Branche betreffen: Die bereits etablierten Marktteilnehmer, Unternehmen und Privatinvestoren würden, sofern sie weiter profitabel sind, nicht von ihrer Stellung abweichen. Die Demokratisierung durch Mikroinvestments oder durch Crowdfunding hat sich wiederum bereits in Ansätzen etabliert, und auch hier zeigt sich, dass es sich eher um eine Nische innerhalb der Immobilienwirtschaft handelt. Und selbst in dem Szenario, dass demokratisierte Immobilientransaktionen einen Mehrwert darstellen, wären vermutlich die angesprochenen Berufsgruppen weiter gefragt:

Gutachter:

Entmaterialisierte Immobilientransaktionen hätten durch die Immobilie, auf der sie basieren, immer noch einen Wert, der festgestellt werden sollte – wenn dies nicht der Fall wäre, könnte es leicht zu einer Überbewertung kommen.

Notare:

Die Security Tokens würden weiter auf Immobilien basieren, und zumindest für das Erstellen eines neuen Projektes müsste hierfür ein neuer Grundbucheintrag stattfinden.

Klassische Finanzierer:

Diese Berufsgruppe wäre potenziell in der Tat am meisten von einer solchen Situation gefragt, aber man sollte Bedenken, dass eine Demokratisierung der Immobilientransaktionen im übertragenen Sinn auch eine Finanzierung von Immobilien ist, welche aktiv gemanagt werden muss.

Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Beyerle.

Interview: Journalistin Dagmar Hotze

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